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Dienstag, 9. Oktober 2012

Tag 206: Von Gyulyovtsa nach Sunny Beach - 19Km (2361Km)


Dienstag, 02.10.2012

Wieder eine eMail von meiner Facebook Freundin Leanne.
Ein weiterer Couchsurfing Gastgeber hat sich gemeldet und mich nach Sunny Beach eingeladen.
Es ist nur 19Km entfernt und somit das Ziel des heutigen Tages.

Zur besseren Absprache hat sie ihm noch meine Telefonnummer mitgeteilt.
Ich baue also mein Zelt ab und wasche mich etwas an der Quelle
Dann esse ich noch die Reste von gestern und los geht's.

Noch nicht aus dem Ort draußen überholen mich 2 schwer bepackte Radfahrer. Das sieht man in dieser Gegend nicht all zu oft.
"How is going?" frage ich laut. Die beiden bleiben stehen und wir beginnen eine angeregte Unterhaltung.
Anita und Stuart sind aus England und wollen mit dem Rad nach Indien. Bisher sind sie seit 3 Monaten unterwegs. Über 30min. unterhalten wir uns und tauschen Reiseerfahrungen und Geschichten aus.
2 Frohnaturen vor dem Herren. Wir lachen bis es weh tut.
Ihre Reise könnt Ihr hier verfolgen:
www.stunita.co.uk

Wir verabschieden uns und wünschen uns alles Gute für unsere weitere Reise.
3 Tage später haben sie schon das 400Km entfernte Istanbul erreicht...

Es klingelt grad das Telefon.
Robin, mein heutiger Gastgeber ist dran.
Ich befinde mich gerade mitten im großen Nichts zwischen den Ortschaften. Er spricht sehr leise. Fast geheimnisvoll.
"Wo befindest Du Dich gerade?" fragt er. Ich sage, "Keine Ahnung wo ich genau bin, aber ca. 4h von Sunny Beach entfernt."
Es ist kurz still am anderen Ende.

Dann fährt er fort: "In Sunny Beach gibt es eine Bar, Jacks Bar. Wir treffen uns um 16Uhr dort. Ich werde auf der Terrasse sitzen.
Du erkennst mich daran dass ich einen Comic mit dem Namen "The Sun" bei mir haben werde. "

Klingt wie eine Szene aus einem Krimi?
Das passt! Er ist Schriftsteller.
Er fragt mich wie er mich erkennt.
Zu seinem Unverständnis muss ich laut lachen.
Ich sage ich habe einen Rucksack dabei der meinen Kopf übersteigt.
Davon sind nicht so viele in dem Café.
Jetzt muss auch er lachen.
Seine Stimme ändert sich, wird fröhlicher.
Er sagt es war nur ein Scherz, er nimmt Leute gern am Telefon aufs Korn...
Das ist sein schwarzer Humor.

Robin ist fantastisch. Er ist 68, kommt aus Irland und ist wie erwähnt Schriftsteller und zusätzlich freier Journalist.
Und er ist nicht gerne allein. Deshalb lädt er gern, und auch häufig, Couchsurfer zu sich ein.

Viele schmeißt er sehr bald wieder raus da sie nur herkommen um sich eine schöne Zeit am Strand zu machen, sich zu betrinken, das ganze Haus aufwecken wenn sie wieder zurück kommen nur um dann gleich wieder zu verschwinden.

Ich bin froh dass ich nicht in dieses Profil passe und 3 Tage bei ihm bleiben darf. Wir kommen super aus.

Das er länger alleine war hat seine Spuren hinterlassen wie er mir berichtet. Er hat sich einige schlechte Gewohnheiten angeeignet.
Er schreibt die ganze Nacht an seinem Buch bis es hell wird. Erst dann geht er zu Bett.

Wie lange er schon allein lebt, frage ich.
Er wendet seinen Blick hinaus aus dem Fenster.
Lange Stille. Ich fühle mich etwas unangenehm und bin mir nicht sicher ob es eine gute Idee war, diese Frage, so zu stellen.
Sehr langsam kommt sein Blick von ganz weit her zurück ins Zimmer.
Er schaut mich an, und beginnt zu erzählen.

Seine Frau ist vor 3 Jahren an Krebs gestorben.
Sie war in einer Kuranstalt als die Ärzte ihr sagten dass sie nur noch 9 Monate zu leben hätte.
Daraufhin hat Robin seine Frau aus der Klinik rausgeholt.
Alle Ärzte haben ihnen davon abgeraten.
In ihrer Situation wäre es das beste wenn sie in ruhe gelassen und nicht irgendwelchen Stress und Strapazen ausgesetzt wird, sagte man ihnen.
Doch beide waren sich einig dass sie nicht in der Kuranstalt sterben wollte. Nicht so.
Also verliessen sie die Kur und fingen an zu reisen.
Indien, Asien, Australien, Canada, Südamerika...
Die Liste ist lang und es gibt nur wenige Länder wo sie nicht waren.
Sie lebte noch 1 Jahr und 2 Monate. Und sie haben das beste aus dieser Zeit gemacht. Jeden Tag.
Sie haben gelebt. Gemeinsam.

Ich bin überwältigt. Er gab seiner Frau das größte Geschenk was man jemandem geben kann.
Liebe und Zeit. Die Freude am Leben zu sein.
"Wenn man jeden Tag lebt, als wäre es der letzte, wird man eines Tages damit recht haben."

Wieder sitzen wir lange Zeit in der Stille...
Unsere Blicke gehen in's leere...


An den kommenden beiden Tagen finden wir viele Gesprächsthema.
Durch seine Tätigkeit als Journalist hat Robin viele Freunde. International.
Wir, Robin und ich, können über alles reden Politik, Religion...
Er hat Freunde in China.
Wenn er eMails mit ihnen schreibt oder mit ihnen telefoniert sind diese Themen Tabu.
Zum Schutz seiner Freunde.
So selbstverständlich wie unsere Freiheit ist, ist sie also garnicht.
Nicht für alle Menschen auf der Welt...



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